Hallo!
Ich bin Carla und Teil des Teams der Tiny Farms Academy. Heute möchte ich euch erzählen, welche Motivation mich zu dieser Arbeit führt: Die Agrarstruktur im Kleinen zu verändern.
Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Bodenerosion, Schadstoffe auf dem Acker: Bestimmt kennt ihr die ökologischen Missstände, in die sich die Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten manövriert hat. Den Menschen, die auf dem Acker arbeiten, geht es teilweise nicht besser: Hoher Leistungsdruck bei unvorhersehbarem Klima, ökonomische Unsicherheiten und eine zunehmende Entfremdung von anderen Teilen der Gesellschaft.
Diese Probleme sind strukturell gewachsen. Wir werden sie mit Market Gardening nicht vollständig lösen können - allein schon wegen der geringen Flächengröße, die wir bewirtschaften. Und doch sehe ich viel Potential im Gemüsebau nach menschlichem Maß.
Tiny Farms war für mich schon immer ein Ort der Begegnung. Als ich 2021 ehrenamtlich regelmäßig zur Tiny Farm in Brandenburg radelte, kam ich teils zum Helfen, teils um nette Leute zu treffen. Freundschaften haben sich auf dem Acker in Steinhöfel gebildet (aber gejätet habe ich auch, versprochen). Auch heute engagieren sich die verschiedensten Menschen auf unseren Beeten: Die neun Teilzeit-Gärtner:innen unseres Co-Farming Programms, über 60 Teilnehmer:innen der diesjährigen Academy oder meine großartigen Kolleg:innen, die Gemüse für unsere Abo-Boxen oder Wochenmärkte produzieren. Das erinnert mich an einen Gedanken, den unsere ehemalige Kollegin Elisabeth Berlinghof mal mit uns teilte: Je mehr Menschen sich hier auf dem Acker tummeln, desto mehr kennen mindestens einen Gärtner oder eine Gärtnerin persönlich. Das bringt viele Vorteile für die eigene Weiterentwicklung und ich würde es uneingeschränkt weiterempfehlen. Nicht nur wird man mit frischem Gemüse beschenkt oder erhält wertvolle Düngempfehlungen für den eigenen Garten. Vielmehr ergreift einen das Bewusstsein dafür, wie viel diese Menschen jeden Tag leisten. Früh aufstehen, Kisten schleppen, pflanzen, säen, ernten, den Beiwuchsdruck unter Kontrolle halten, Schaderreger fernhalten, mit Pannen umgehen: Gemüse ist schön, macht aber viel Arbeit.
Diese Arbeit zu sehen und auszuführen ändert den Blick auf Lebensmittel - davon bin ich überzeugt. Genau wie es ansteckend sein kann, zu sehen, wie leidenschaftlich und energisch die Gärtner:innen bei der Sache sind. Ähnliches habe ich bereits als Feedback über meine Fotografie gehört: „Ich wusste gar nicht, dass Landwirtschaft so cool aussehen kann“. In meinem sozialen Mikrokosmos hat das Berufsbild Gärtner einen hohen Stellenwert. Wie ist es bei euch?
Dennoch muss sich politisch einiges ändern, damit die Market-Gardening Bewegung ihre Wirkung entfalten kann.
In der Lebensmittelerzeugung diktieren einige wenige Großhandelsunternehmen die Preise. Sie nehmen in Kauf, dass Mensch und Natur dafür ausgebeutet werden. Das hat zur Folge, dass viele Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus in Europa unter katastrophalen Bedingungen arbeiten müssen – damit Erdbeeren, Tomaten und Gurken für einen kleinen Preis in deutschen Supermärkten liegen. In den Regalen stehen sie in direkter Konkurrenz mit den Erzeugnissen regionaler Produzent*innen, die sich an den deutschen Mindestlohn halten.
Und obwohl pflanzliche Ernährung eine wichtige Rolle für das Klima spielt, bildet der Gemüsebau eine Nische in der Agrarpolitik. Oft von kleineren Betrieben produziert, profitieren diese kaum von den Milliardensubventionen aus Brüssel, die seit Jahren hauptsächlich nach Fläche vergeben werden. Kleinstbetriebe wie im Market Gardening fallen oft durch das Raster. Entweder sind sie zu klein, um von Förderungen zu profitieren - oder der bürokratische Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Nutzen.
Lasst uns also den Gemüsebau und die Menschen dahinter sichtbar machen. Für einen Tag oder mehrere Monate in deren Rolle schlüpfen, um ihre Herausforderungen zu verstehen. Die Schönheit einer Möhre feiern und diese Wertschätzung in die Breite tragen. Eine bessere Welt ist pflanzbar ;)
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